Dr. med. Dietmar Weixler MSc

Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) 


Lebensbegrenzende Erkrankungen sind psychisch beengend und können Symptome von Angst, Depression und Trauma verschlimmern oder hervorrufen. Lebensbegrenzende Erkrankungen können auch Traumata verursachen oder vergangene Traumata reaktivieren.

Psychotherapie und psychologische Therapie sind ein wichtiger Bestandteil zur Verbesserung der Lebensqualität von Palliativpatient:innen. Die Verringerung der psychischen Symptome kann den Patient:innen helfen, ihr Leben freier zu gestalten und sich an Entscheidungen über ihre Versorgung zu beteiligen. Für jemanden, der ein Übermaß an Angst vor dem Sterben hat, sodass er nicht in der Lage ist, sich auf Entscheidungen am Lebensende einzulassen, reicht ein unterstützendes Zuhören durch das Mitglied einer anderen Berufsgruppe möglicherweise nicht aus.

Aufgrund ihrer Erfahrung in den Bereichen Zielsetzung, Konfliktmanagement und Motivationsgespräche sind Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen gut geeignet, um bei unter Druck stehenden Behandlungsentscheidungen zwischen Patient:innen, Familien und medizinischen Dienstleistern zu vermitteln. Umgang mit Unsicherheit, Emotionsregulierung und die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit sind Werkzeuge der klinischen Psychologie. Psycholog:innen können bei Patient:innen Entscheidungsfähigkeit oder kognitive oder emotionale Begrenzungen zur freien Willensbildung feststellen. Sie können Entscheidungsfindungsprozesse am Lebensende begleiten und in einem geschützten Rahmen über Sterben, Tod, Trauer und über jene Themen sprechen, die über das Leben hinausreichen.

Existenzieller Distress bzw. existenzielle Verzweiflung sind Reaktionen eines Menschen auf die Bedrohung seiner Identität und Integrität. Wenn es keine geeignete psychologische/psychotherapeutische Hilfe gibt – wie in vielen Einrichtungen der Palliativversorgung weltweit - kommt es zur Medikalisierung um den entstehenden Druck aufzulösen: Palliative Sedierung, Assistierter Suizid, Tötung auf Verlangen.

Harvey Max Chochinov und Mitarbeiter:innen konnten zeigen, dass die würdezentrierte Therapie suizidpräventiv wirkt.

Eine der wichtigsten Fähigkeiten der Psychologie ist die Psychodiagnostik – oft auch in Kooperation mit den Fachärzt:innen für Psychiatrie: Klinische Psycholog:innen haben Kenntnisse und Zugriff auf Assessmentinstrumente, um Patient:innen auf soziale, psychologische, emotionale oder kognitive Symptome zu untersuchen.

Psycholog:innen spielen eine wichtige Rolle bei der emotionalen Unterstützung derjenigen, die direkt mit Palliativpatient:innen arbeiten.

Psycholog:innen haben Fähigkeiten zur Stressbewältigung und Instrumente zur Verbesserung der Teamdynamik zur Hand.  Oft haben Teams Schwierigkeiten, die Grenzen der beruflichen Kompetenz zu identifizieren oder Zuständigkeiten und Rollen im Team zu finden. Das kann zu Spannungen führen. Daher empfehle ich auch Supervision und Teamtage unter professioneller Leitung von Personen, die in Methoden zur Verbesserung der individuellen und der „Teamresilienz“ erfahren sind.

 

Als Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft freue ich mich über die Initiative des IPPÖ und wünsche allen Beteiligten kreative zielgerichtete Prozesse, Freude und Spaß und den in der Palliativverssorgung sprichwörtlichen langen Atem!